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Tierschutzorganisation warnt, dass EU-Vorschlag zur Herabstufung des Wolfsschutzes den Weg für weitere Angriffe auf EU-Naturschutzgesetze ebnen könnte

A wolf sitting outside in the wild

Alamy Stock Photo/Alamy Stock Photo

Brüssel/Berlin—Humane World for Animals Europe (ehemals Humane Society International/Europe) warnt, dass ein neuer Vorschlag zur Herabstufung des Schutzstatus der Wölfe die Tür für weitere ernste Angriffe auf die Naturschutzgesetze der EU öffnen könnte.

Nach der Entscheidung der Berner Konvention im Dezember 2024, den Schutzstatus der Wölfe zu senken, legte die Europäische Kommission heute einen Vorschlag zur Änderung des Anhangs IV der EU-Naturschutzgesetze vor, um den Schutzstatus der Wölfe nach EU-Recht herabzustufen. Dieser Vorschlag wird im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens behandelt (auch als Mitentscheidungsverfahren bekannt), was bedeutet, dass sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat der EU ihn gemeinsam prüfen und einen endgültigen Gesetzestext verabschieden werden.

Dr. Joanna Swabe, Senior Director für Public Affairs bei Humane World for Animals Europe, sagt dazu: „Die Entscheidung, die Naturschutzgesetze zu ändern und den Wolfsschutz herabzustufen, ist eine hochpolitische Entscheidung. Sie ist durch den jahrelangen, unerbittlichen Druck von denjenigen geprägt, die den Wolf zum Sündenbock machen und mehr Wölfe töten lassen wollen, unabhängig von den Folgen für die Biodiversität. Es handelt sich dabei keineswegs um eine wissenschaftlich fundierte Entscheidung. Vielleicht wird der Vorschlag der Kommission die Landwirtschaftslobby besänftigen, aber die weitaus größeren Probleme vieler Landwirt*innen, insbesondere im Schafsektor, nicht lösen. Stattdessen könnte er die breitere Gesetzgebung gefährden. Um die Mitglieder des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten davon abzuhalten, weiter an den Naturschutzgesetzen herumzuschrauben, muss die Europäische Kommission eindeutig klarstellen, dass der Vorschlag zur Herabstufung des Wolfes sogar zurückgezogen werden könnte, wenn die Mitgesetzgeber versuchen, auch noch einen anderen Teil der Gesetzgebung zu verändern.“

Humane World for Animals Europe weist darauf hin, dass die Herabstufung des Schutzstatus der Wölfe in der EU die Mitgliedstaaten aber nicht von ihrer Verantwortung entbindet, einen günstigen Erhaltungszustand dieser Art sicherzustellen. Sie bedeutet auch nicht, dass die EU-Mitgliedstaaten ihre Arbeit aufgeben können, um ein Zusammenleben mit großen Raubtieren zu erreichen. Die Mitgliedstaaten sind dafür verantwortlich, nicht nur die Landwirt*innen zu ermutigen, geeignete Schutzmaßnahmen zum Schutz ihrer Herden vor Wolfsangriffen umzusetzen, sondern auch sicherzustellen, dass ihnen die vollen Kosten dieser präventiven Maßnahmen erstattet werden. Die aktuellen Staatsbeihilferechtsvorschriften ermöglichen eine 100%ige Rückerstattung für durch Raubtiere verursachte Schäden sowie 100%ige Kostenerstattung für Maßnahmen wie Zaunbau, Anschaffung von Herdenschutzhunden und andere.

Es ist wichtig, dass die Europäische Kommission die bürokratischen Verzögerungen in einigen Mitgliedstaaten adressiert, die eine rechtzeitige Entschädigung von Landwirt*innen für den Verlust von Nutztieren verhindern. Die Regeln für Staatsbeihilfen ermöglichen den Mitgliedstaaten, vollständige Entschädigungen für Schäden durch Raubtiere sowie für indirekte Kosten wie Tierarztkosten und Arbeitsaufwand zu zahlen. Außerdem können sie die Kosten für Schutzmaßnahmen erstatten lassen. In einigen Ländern wird die Effektivität dieser Regelungen jedoch durch langwierige Verwaltungsprozesse beeinträchtigt. Wir fordern die Kommission auf, die Mitgliedstaaten dazu aufzufordern, die Verfahren zu beschleunigen, damit Landwirt*innen schnell Unterstützung erhalten. Dies könnte das Engagement für das Zusammenleben mit großen Raubtieren stärken.

Humane World for Animals wird weiterhin eng mit zahlreichen Tierschutz- und Naturschutzorganisationen zusammenarbeiten, um jegliche Versuche, die Naturschutzgesetze abzubauen, zu verhindern und sich für ein harmonisches Zusammenleben mit Wölfen und anderen großen Raubtieren stark zu machen.

Fakten

  • Die Richtlinie 92/43/EWG des Rates zum Schutz der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, auch als Naturschutzgesetze bekannt, zielt darauf ab, mehr als 1000 heimische Arten und 230 charakteristische Lebensraumtypen zu schützen. Ziel der Gesetzgebung ist es, sicherzustellen, dass diese Arten und die Lebensräume, in denen sie leben, in einem günstigen Erhaltungszustand innerhalb der EU erhalten oder wiederhergestellt werden.
  • Die Naturschutzgesetze erlauben es den Mitgliedstaaten bereits, Ausnahmen zu gewähren, um ein Management zu ermöglichen, sofern „keine zufriedenstellende Alternative besteht und die Ausnahme nicht schädlich für den Erhalt der Populationen der betroffenen Arten ist“. Diese Ausnahmen sollen „ernsthaften Schaden“ an Vieh und Ernten verhindern, die öffentliche Gesundheit und Sicherheit schützen oder der Forschung und Bildung dienen.
  • Die Erholung und Wiederbelebung der Wolfspopulation in Europa ist zum Teil den rechtlichen Schutzmaßnahmen zu verdanken, die der Art gemäß den Bestimmungen der Naturschutzgesetze gewährt werden. Die Erholung der Wolfpopulation bleibt jedoch fragil. In sechs der sieben biogeografischen Regionen Europas, in denen der Wolf vorkommt, ist sein Erhaltungszustand weiterhin ungünstig.
  • Im Jahr 2015 führte die Europäische Kommission eine „Fitness-Check“ der EU-Naturschutzgesetze durch, um zu überprüfen, ob sie noch „zweckmäßig“ sind. Dieser Prozess kam zu dem Schluss, dass die Gesetzgebung nach wie vor hochrelevant und angemessen ist, jedoch ihre Umsetzung verbessert werden muss, um die Ziele zu erreichen.
  • Die Bestimmungen zu Staatsbeihilfen entschädigen Landwirt*innen mit 100%iger finanzieller Vergütung für Verluste und Kosten, die durch Raubtierangriffe entstehen, und bieten ebenfalls eine 100%ige Rückerstattung für umgesetzte Schutzmaßnahmen. Das Hauptproblem ist, dass Landwirt*innen nicht immer über ihren Anspruch auf solche Mittel informiert sind und die Mitgliedstaaten bei der Entschädigung ihrer Verluste langsam sind.
  • Kleine und mittlere Landwirt*innen, insbesondere im Schafsektor, die den Großteil der Wolfsangriffe tragen, sind mit vielen weiteren Problemen konfrontiert. Der Sektor leidet unter niedrigen Einkommen, begrenzten Investitionen, geografischer Abgeschiedenheit, Arbeitskräftemangel und einer mangelnden Attraktivität für jüngere Landwirt*innen. Landwirt*innen müssen sich auch mit sich ändernden Verbraucherpräferenzen und Ernährungsgewohnheiten, billigen Exporten aus Drittländern, tierischen Infektionskrankheiten (wie Blauzungenkrankheit) und Änderungen in der öffentlichen Finanzierungspolitik auseinandersetzen. Schwankende Marktpreise und die Festsetzung niedriger Preise durch Einzelhändler und Lebensmittelunternehmen sowie steigende Produktionskosten setzen den Sektor zusätzlich unter Druck.
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